25. Oktober 2021

Keine Entlastung des Vorstandes – Was bedeutet das?

In der letzten Zeit haben mich des Öfteren Fragen zur Entlastung eines Vorstandes erreicht. Besonders geht es dabei um die Frage, was passiert, wenn ein Vorstand nicht entlastet wird. In diesem Blogbeitrag möchte ich der Community Antworten geben. Dazu erläutere ich, welchen Zweck eine Entlastung hat und welche Folgen sich daraus ergeben, wenn keine Entlastung erteilt wird. Keine Sorge: ich werde es – wie hoffentlich gewohnt – leicht verständlich und verdaulich halten.

Lesedauer ca. 4 Minuten (890 Wörter)

In den vergangenen Wochen und Monaten haben mich aus der Community immer wieder Fragen zur Entlastung eines Vorstandes erreicht bzw. was es bedeutet, wenn eine Entlastung versagt wird. Viele, die bisher in Vereinen aktiv gewesen sind, wissen zwar, dass der Vorstand in der Regel einmal im Jahr entlastet wird. Unbekannt ist häufig hingegen, was die Entlastung bedeutet und welche rechtlichen Folgen mit ihr verbunden sind. Und noch weniger dürften wissen, was passiert, wenn ein Vorstand nicht entlastet wird. Ich habe mich daher ans Werk gesetzt und die wichtigsten Aspekte zu diesem Thema für Euch aufgeschrieben.

Um die Entlastung eines Vorstandes zu erläutern, ist ein Einblick in die Strukturen eines Vereins (speziell Geschäftsführung und Vertretungsmacht) hilfreich. Zunächst ist relevant, dass die Geschäftsführung eines Vereins regelmäßig beim Vorstand liegt. Das bedeutet, der Vorstand lenkt die Geschicke des Vereins im Rahmen der Satzung. Ein Verein ist eine juristische Person und kann als solche nicht selbst handeln. Daher muss er sich natürlicher Personen (m/w/d) bedienen. Diese Personen sind oftmals der sog. §-26-BGB-Vorstand, die neben der Geschäftsführung mit Vertretungsbefugnis ausgestattet sind. In der Praxis ist häufig zu finden, dass die Geschäftsführung auf alle Mitglieder des Vorstandes verteilt ist. Aber nur zwei oder drei Personen des Vorstandes sind zusätzlich vertretungsbefugt.

"Vereine haften für ihre Vorstände"

Da es die vertretungsbefugten Vorstandsmitglieder (kurz: §26-Vorstand) sind, die nicht selten im Mittelpunkt einer verweigerten Entlastung stehen, konzentriere ich mich für die Zwecke dieses Beitrages weitgehend auf diese. Der §26-Vorstand ist ermächtigt, für den Verein zu handeln u. a. mit der Folge, dass der Verein Verträge abschließen, Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und verklagt werden kann. Die Haftung für die Handlungen des §26-Vorstandes gegenüber Dritten (sog. Außenhaftung) übernimmt dabei aber der Verein. Ausnahmsweise haftet der §26-Vorstand neben dem Verein für deliktische Schäden – dies sei aber nur am Rande erwähnt.

Zwar haftet der Verein dafür, wie der §26-Vorstand nach außen handelt. Allerdings kann sich der Verein anschließend an den §26-Vorstand wenden und diesen für seine Fehler zur Verantwortung ziehen. Das ist die berechtigte Kehrseite der mit weitreichenden Freiheiten ausgestatteten Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis. Dabei können die Haftungsrisiken eines §26-Vorstandes gegenüber dem Verein – zum Beispiel je nach Satzung – hoch sein. Oder sie können auf das gesetzliche Mindestmaß beschränkt werden. Eine Haftungsbeschränkung, die nur gegenüber dem Verein gilt(!), kann so auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, manchmal sogar nur auf Vorsatz, reduziert werden.

§26-Vorstand in der Schusslinie

Bei der Frage, ob ein Verein den §26-Vorstand für Fehler in Haftung nimmt, kommt es entscheidend auf die Entlastung des §26-Vorstandes an. Hierüber entscheidet nicht der §26-Vorstand, auch nicht die übrigen Mitglieder des Vorstandes, sondern die Mitgliederversammlung. Diese entscheidet, ob eine Entlastung ausgesprochen werden soll. Entlastung bedeutet, dass der Verein darauf verzichtet, den (gesamten) Vorstand für zurückliegende Handlungen auf Schadensersatz, Bereicherungs- oder weitere Ersatzansprüche in Haftung zu nehmen. Mit anderen Worten sichert der Verein den entlasteten Vorstandsmitgliedern ausdrücklich zu, von ihm aus der eigenen Schusslinie genommen zu werden. Ohne diese Möglichkeit der Entlastung wäre es für Vereine sehr schwer, ehrenamtlich tätige Vorstandsmitglieder und §26-Vorstände zu finden.

Die Entlastung kann für alle Handlungen aller Vorstandsmitglieder für den gesamten Entlastungszeitraum gewährt werden. Es ist aber auch zulässig, die Entlastung auf bestimmte Zeiträume, auf bestimmte Mitglieder des Vorstandes und auf bestimmte Angelegenheiten zu begrenzen. Wenn ein §26-Vorstand nicht entlastet würde, bliebe er in der Schusslinie des Vereins – bis zu seiner Entlastung, die auf der nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung erfolgen müsste. Erfolgt keine finale Entlastung, hätte dies zunächst aber keine praktischen Auswirkungen. Nur wenn der Verein sich entschließt, gegen den nicht entlasteten §26-Vorstand rechtlich vorzugehen, würde sich das Damoklesschwert über den Köpfen langsam senken.

Mitgliederversammlung hat das letzte Wort

In der Praxis kommt es häufig vor, dass die verweigerte Entlastung zeitlich mit dem Austritt einer Person aus dem Vorstand oder aus dem Verein einhergeht. Die Entscheidung, ob und ggf. wann ein Verein gegen einen (alten) §26-Vorstand vorgeht, obliegt dem neuen Vorstand. Allerdings kann die Mitgliederversammlung den Vorstand durch Abstimmung über einen entsprechenden Antrag verpflichten, rechtlich gegen den alten §26-Vorstand vorzugehen. In diesem Zusammenhang ist interessant, dass auch gegen die übrigen Vorstandsmitglieder des (alten) Vorstandes wegen Verletzung ihrer Überwachungspflichten vorgegangen werden könnte.

Mitunter sind auch Szenarien vorstellbar, in denen sich ein neuer Vorstand gegenüber dem Verein selbst schadenersatzpflichtig macht. Und zwar dann, wenn er begründete Ansprüche gegen den alten §26-Vorstand nicht geltend macht. Allerdings hat auch hier die Mitgliederversammlung das letzte Wort: Sie kann beschließen, dass selbst berechtigte Ansprüche nicht verfolgt werden sollen – vorausgesetzt, es gibt einen mehrheitsfähigen Antrag.

Fazit

Neben einer verweigerten Wiederwahl ist die versagte Entlastung ein scharfes Schwert, dass die Mitgliederversammlung den großzügigen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnissen des §26-Vorstandes entgegenzusetzen hat. Das Haftungsrisiko eines §26-Vorstandes ist recht hoch, selbst wenn eine Haftungsbeschränkung gegeben ist. Große Vereine sichern Ihre Vorstandsmitglieder deshalb zusätzlich durch eine Versicherung für Vermögensschäden (sog. D&O-Versicherung) ab. Ansonsten könnte es schwer werden, bei zunehmender gesetzlicher Regelungsdichte und unüberschaubaren Fehlerquellen, geeignetes Vorstandspersonal zu finden.

Dr. Oliver Daum, Anwalt im E-Sport (Kiel)

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