Vor knapp zwei Stunden hat die neue Koalition aus SPD, Grüne und FDP ihren Koalitionsvertrag veröffentlicht. Auf den ersten Blick wird die Ampel ihr Wahlversprechen, was den E-Sport angeht, zwar einhalten. Zugleich wird sie aber hinter ihren Möglichkeiten zurückbleiben. Meine Ersteinschätzung.
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Das Schöne am neuen Koalitionsvertrag (hier abrufbar) ist, dass der E-Sport Erwähnung findet. Das ist heutzutage nicht selbstverständlich, wie viele Koalitionsverträge auf Länderebene zeigen. Noch schöner ist es, dass der E-Sport als gemeinnützig anerkannt werden soll. Die Koalitionäre haben das wie folgt festgeschrieben:
„Wir schaffen Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus und machen E-Sport gemeinnützig.„
Damit keine sprachlichen Missverständnisse entstehen: Die Koalition verspricht einzig, den E-Sport gemeinnützig zu machen. Das Schaffen von Rechtssicherheit bezieht sich auf gemeinnützigen Journalismus.
Erinnert sich noch jemand daran, was die letzte Merkel-Koalition 2017/2018 noch in den Koalitionsvertrag aufgenommen hatte? Da stand ein wenig mehr drinnen:
„Wir erkennen die wachsende Bedeutung der E-Sport-Landschaft in Deutschland an. Da E-Sport wichtige Fähigkeiten schult, die nicht nur in der digitalen Welt von Bedeutung sind, Training und Sportstrukturen erfordert, werden wir E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anerkennen und bei der Schaffung einer olympischen Perspektive unterstützen.„
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, warum die heutigen Koalitionäre so knauserig mit dem E-Sport umgehen wollen. Der neue Koalitionsvertrag enthält kein Wort von einer nationalen E-Sport-Strategie oder von Bundesförderprogrammen wie es hier (Link) und wenig später auch vom ESBD öffentlich gefordert wurde.
Wer sich einmal die Wahlprogramme der Regierungsparteien (Link) anschaut, wird feststellen, dass in diesen nur die Gemeinnützigkeit des E-Sports angekündigt wurde – weitere Wahlversprechen zum E-Sport waren nicht dabei. Damit aber haben SPD, Grüne und FDP ihre Wahlversprechen erfüllt. Nicht mehr und nicht weniger. Die wahlkämpferische Euphorie in Sachen E-Sport ist den Koalitionären während der Verhandlungen offenbar abhandengekommen.
Ein wenig verschroben wirkt auf Anhieb die Aufnahme des E-Sports in den Koalitionsvertrag im Bereich „Kulturförderung“. Aber wenn das heißen soll, dass der E-Sport in sehr naher Zukunft, z. B. durch Änderung des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung (AO) oder gar durch die Änderung der AO, als Kulturgut Gemeinnützigkeit erreichen kann, ist das gut. Auf jeden Fall wirkt diese „Deplatzierung“ als ein Zugeständnis an den DOSB, dass E-Sport kein Sport sei.
Auch wenn die Gemeinnützigkeit des E-Sports das Hauptziel (auch von den traditionellen Sportvereinen) war, blieb die Koalition doch hinter ihren Möglichkeiten zurück. Ein aktives Signal an die Gesellschaft à la „Wir fördern und anerkennen den E-Sport als wichtigen Bestandteil unserer Gesellschaft“ kam ihr nicht über die Lippen. Auch gibt es keine Hervorhebung der positiven Fähigkeiten, die durch den E-Sport geschult und herausgebildet werden, wie noch zu Zeiten der alten Koalition. Das Fazit meiner Ersteinschätzung lautet daher: Da war mehr drinnen.
Dr. Oliver Daum, Anwalt im E-Sport (Kiel)