Die aktuelle Diskussion um die Zukunft des E-Sports ist offenbar nur die Spitze des Eisberges. Denn hinter den Kulissen gab es schon seit längerem unterschiedliche Ansichten über den ESBD und die Zukunft der Verbandsstrukturen im deutschen E-Sport. Auf die lautstarke Kritik von PENTA-CEO Schaetzke reagierte ESBD-Präsident Jagnow umgehend. Im Kern geht es dabei um die Abschaffung des ESBD in seiner gegenwärtigen Form. Ein Kommentar zum Richtungsstreit.

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Zu Beginn der letzten Woche knallte es in E-Sport-Deutschland. In einer öffentlichen Erklärung griff Andreas Schaetzke den ESBD ungewohnt laut an. Dies wäre vielleicht nicht weiter erwähnenswert gewesen, wenn Schaetzke nicht CEO von KAYDEE und PENTA wäre, den ESBD-Präsidenten und Vizepräsident Müller namentlich scharf kritisiert und die Abschaffung des ESBD gefordert hätte. Da Schaetzke in der Branche kein Unbekannter ist, fanden seine Worte auch durchaus Gehör.

Gehört wurde Schaetzke u. a. von Hans Jagnow, dem Präsidenten des ESBD und Neu-Präsidenten der frisch gegründeten Esports Europe Federation (EEF). In seiner Gegendarstellung weist Jagnow die Kritik nicht nur zurück, sondern geht auch seinerseits in die Offensive. Im Duett gelesen, legen beide Erklärungen offen, dass es scheinbar seit längerem einen schwelenden Richtungsstreit über die Zukunft des E-Sport in Deutschland gibt, in dessen Zentrum der ESBD steht.

Schaetzkes Kritik in der Zusammenfassung

In seinem Statement, das hier abrufbar ist, geht Schaetzke nicht nur mit dem ESBD und der EEF, sondern auch mit Jagnow und seinem Vizepräsidenten, Martin Müller, hart ins Gericht. Nach Schaetzke sei bereits beim Gründungsprozess des ESBD deutlich geworden, dass es den Verantwortlichen nur um den eigenen Profilierungsdrang ginge und weniger um den E-Sport. Schaetzke spricht beiden daher die nötige Kompetenz ab.

Dem gesamten Verband hingegen wirft er vor, die selbstgesteckten Ziele nicht erreicht zu haben. Konkret bezieht sich Schaetzke auf die angestrebte Anerkennung des E-Sports als Sport und die damit verbundene Hoffnung, staatliche Fördergeld abzuschöpfen. Überdies habe die langanhaltende Diskussion darüber, ob E-Sport richtiger Sport sei oder nicht, dem E-Sport im Ergebnis mehr geschadet als geholfen.

Sein abschließendes Urteil über den ESBD ist vernichtend: Der Verband habe sich selbst erschaffen und sei dem deutschen E-Sport zwangsweise aufgesetzt worden. Schaetzke fordert nichts Geringeres als die Abschaffung des ESBD und eine Neuordnung („Reset Knopf“) der verbandlichen Strukturen des E-Sports auf nationaler Ebene.

Wie Jagnow reagiert

Jagnow reagierte prompt. In seiner Replik, die hier abrufbar ist, verwahrt sich Jagnow gegen die persönlichen Angriffe gegen seine Person und ESBD-Vizepräsident Müller. Dabei betont er Müllers Arbeit in Schleswig-Holstein und meint insbesondere den Aufbau des Landeszentrum für eSport und Digitalisierung in Kiel (LEZ-SH). In der Tat ist das LEZ-SH ein hartes Stück Arbeit, wie hier nachzulesen ist. Zu den Angriffen auf die eigene Person schweigt Jagnow.

Was den Vorwurf der nicht erreichten Ziele des ESBD angeht, hält Jagnow dagegen. Neben dem E-Sport-Visum für ausländische (Gast-)Sportler zählt er die qualifizierte Trainerausbildung des ESBD und den Ethik- und Verhaltenskodex zu den Errungenschaften des Verbandes. Zudem habe der ESBD den E-Sport erfolgreich auf die politische Agenda gehievt.

Jagnow begegnet aber nicht nur Schaetzkes Kritik, sondern geht auch mit einem pikanten Zug in die Offensive. Denn Schaetzke war 2017 nur als bloßer Entbindungshelfer an der Geburt des ESBD beteiligt. Zu den anschließenden Gründungsvätern und Mitgliedern zählte er hingegen nicht. Über den Grund für Schaetzkes plötzlicher Abkehr vom ESBD konnte von außen bisher nur spekuliert werden. Nun aber, so Jagnow, liege der Grund für Schaetzkes plötzlicher Abkehr vom ESBD darin, dass Schaetzke nach eigenen Angaben damals kein Platz im Präsidium angeboten worden sei.

Dass die Diskussion zum Teil auch emotional geführt wird, ist nur allzu verständlich. Beiden Herren ist anzumerken, dass Sie für die gemeinsame Sache des E-Sports brennen.

Zum deutschen Richtungsstreit im deutschen E-Sport

In den Positionen der beiden Protagonisten spiegelt sich ein handfester Richtungsstreit über den weiteren Weg des deutschen E-Sport wider. Und im Zentrum dieses Streits steht die Existenz des ESBD auf dem Spiel.

Ginge es nach Schaetzke würde er die deutsche E-Sport-Landschaft neu ordnen – und zwar ganz klar ohne den ESBD. Er fordert einen Reset Knopf, wonach sich alle an einen runden Tisch setzen sollten. Auffallend ist aber, dass er nicht schreibt, in welche Richtung die Neuordnung konkret gehen soll oder welche Akteure mit am Tisch sitzen sollen.

Zudem ist meines Erachtens anzuerkennen, dass der ESBD in den vergangenen zwei Jahren (sehr) gute Lobbyarbeit für den E-Sport betrieben hat. Nicht zu Unrecht zählt er daher für viele in der Politik und Gesellschaft sowie für andere Verbände als erster Ansprechpartner in Sachen E-Sport. Andererseits denke ich auch, dass der Verband nach außen hin unnötig lange mit der semantischen Frage ob E-Sport richtiger Sport sei, in Verbindung gebracht wurde. Zu diesem Vorwurf schweigt Jagnow jedenfalls in seiner Darstellung der Dinge.

Im Ergebnis spreche ich mich aber für den Erhalt des ESBD aus. Ich denke, dass der ESBD gegenwärtig unverzichtbar geworden ist. Auch mit Fehlentscheidungen ist er unter allen Akteuren, die in den vergangenen zwei Jahren für die gesellschaftliche Verankerung und politische Anerkennung des E-Sports in der deutschen Öffentlichkeit eingetreten sind, der sichtbarste gewesen. Es geht jetzt darum, die Entwicklung des E-Sports in Deutschland weiter voranzutreiben. Und dabei können solche offenen Diskussionen wie die zwischen Schaetzke und Jagnow am gewinnbringendsten sein.

Was es jetzt zu tun gibt

Zum Abschluss möchte ich Stichpunkte zu möglichen Entwicklungsschritten im deutschen E-Sport zur allgemeinen Diskussion stellen, wobei der eine oder andere Vorschlag ambitioniert ist. Wer findet ihn/sie?

– Schaffung eines nationalen Lizenzierungssystems für Berufsspieler und Amateure;

– Schaffung eines deutschen E-Sportler-Schutzgesetzes mit verbindlichen Regeln für E-Sportler, Teams und Eventveranstalter bei Arbeit und Bezahlung, Training und Wettbewerben;

– Schaffung einer regional-organisierten hierarchischen Rechtsprechung mit dem ESBD-Schiedsgericht an der Spitze auf Grundlage des E-Sportler-Schutzgesetzes mit leichtem Zugang für E-Sportler;

– Unterstützung des Breitensports als wichtigste Fan-Base des Profi-E-Sports;

– Schaffung und leichten Zugang von Fördermitteln für den Breitensport u. a. unter Mitwirkung der Publisher;

– Förderung der regionalen und lokalen Akteure und Ausbau von Infrastruktur;

– Ausschöpfung der wirtschaftlichen und finanziellen Möglichkeiten des E-Sports für Ausgaben wie dem Aufbau des Lizenzierungsspielersystems und der Rechtsprechung.

*Im Kommentar sind getreu dem Motto #einmaligerschlagabtausch keine den hier genannten Erklärungen nachfolgenden Äußerungen der Protagonisten berücksichtigt! 😉

Dr. Oliver Daum, Rechtsanwalt im E-Sport (Kiel)

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