Der britische Fortnite-Spieler und erfolgreiche YouTuber Jarvis „FaZe Jarvis“ Kaye wurde von Epic Games auf Lebenszeit für alle Wettbewerbe von Fortnite ausgeschlossen. In der Gaming- und eSport-Community hat der Fall wegen der harten Strafe für große Diskussionen gesorgt. Daher die Frage dieses Beitrages: Könnte sich Jarvis erfolgreich gegen Epic Games wehren, wenn er Deutscher wäre?

Per YouTube-Video vom 3. November 2019 erklärte der 17-Jährige, er sei von Epic Games auf Lebenszeit von allen Fortnite-Battle-Royal-Wettbewerben ausgeschlossen worden (Quelle). Der Grund hierfür liege darin, dass Jarvis – wie er im Video zugab – beim Spielen Aimbots eingesetzt hatte, um seine Gegenspieler besser anvisieren und treffen zu können. Für die ganz große Mehrheit der Gamer und eSportler sind Aimbots ein absolutes No-Go. Und trotzdem haben sich viele gegen die Härte der Strafe ausgesprochen.

Vor diesem Hintergrund wirft dieser Beitrag die hypothetische Frage auf, ob lifetime bans in Deutschland zulässig wären. Das Ergebnis: Lifetime bans sind nichts anderes als eine Kündigung des Vertrages zwischen Spieler und Publisher und können in Deutschland sehr wohl zulässig sein. Für die Zwecke dieses Beitrages wird angenommen, dass Jarvis in Deutschland wohnen und sich gegen die Kündigung von Epic Games gerichtlich wehren würde. Hierbei hätte der fiktive Jarvis vier große rechtliche Hürden zu nehmen.

Unterliegt Epic Games überhaupt dem deutschen Recht?

Die erste Hürde ist, ob auch deutsches Recht anzuwenden wäre. Zwar wohnt der fiktive Jarvis in Deutschland, allerdings handelt es sich bei Epic Games um ein US-Unternehmen. Die Frage ist daher, ob deutsches oder US-amerikanisches Recht anzuwenden wäre. Laut der Terms of Service sind für Klagen gegen Epic Games a) die Gesetze von North Carolina anwendbar und b) die Gerichte in Wake County (North Carolina) zuständig (Quelle). Nach den Terms of Service käme eine Klage vor einem deutschen Gericht also nicht in Betracht.

Allerdings ergibt sich aus der Datenschutzerklärung von Epic Games, dass es eine Epic Games S.à.r.l. mit Sitz in Luxemburg gibt – im Gegensatz zum US-Unternehmen Epic Games, Inc. mit Sitz in North Carolina (Quelle). Unternehmen, die in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union geschäftsansässig sind, unterliegen der sog. Rom-I-Verordnung (Rom-I-VO). Nach Art. 6 der Rom-I-VO unterfällt ein Vertrag dem Recht desjenigen Staates, in dem der jeweilige Verbraucher (= der fiktive Jarvis) seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat und das Unternehmen dort Dienste anbietet. Nach dieser Argumentation wäre deutsches Recht anwendbar.

Zugegeben, es ist unklar, ob ein deutsches Gericht der Rom-I-VO-Argumentation folgen würde, um auf Verträge mit Epic Games deutsches Recht anzuwenden. Wäre dies jedoch nicht der Fall, könnten sich deutsche Gamer und eSportler in der Praxis kaum gegen Entscheidungen von Epic Games gerichtlich wehren. Die besseren Gründe sprechen also dafür, deutsches Recht anzuwenden.

Vertrag mit Epic Games? Ja, aber welcher?

Die zweite große Hürde betrifft den zu Grunde liegenden Spielevertrag. Hierbei ist klar, dass Spieler mit Epic Games überhaupt einen Vertrag schließen, bevor sie Fortnite Battle Royal spielen können. Die entscheidende Frage ist vielmehr, welche genauen Regelungen der Vertrag beinhaltet. Denn einerseits sind die Terms of Service und z. B. die offiziellen Regeln der Fortnite Champion Series für Kapitel 2 Saison 1 (FNCS-Regeln, Quelle) nach US-amerikanischen Recht formulierte Nutzungsbedingungen. Andererseits unterliegt der Vertrag mit Epic Games auch dem deutschen Vertragsrecht.

Der Spielevertrag kann nach dem deutschen Vertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als Spielenutzungsvertrag kategorisiert werden. Nach einem nicht rechtskräftigen(!) Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg aus dem Jahre 2012 handelt es sich dabei um ein „Dauerschuldverhältnis über die Einräumung von Nutzungsrechten“. Das Amtsgericht Karlsruhe war 2015 anderer Meinung. Es sah in einem Spielenutzungsvertrag zum Spiel Metin2 einen sog. typengemischten Vertrag, der „sowohl leihvertragliche wie auch auftragsrechtliche Elemente aufweist“. Die Einordnung des Spielenutzungsvertrages in das deutsche Vertragsrecht entscheidet darüber, welche gesetzlichen Regelungen der Vertrag beinhaltet. Und dies ist, wie die beiden Urteile zeigen, gar nicht so einfach. Um es demgegenüber einfacher zu machen, ist von einem Dauerschuldverhältnis über Nutzungsrechte auszugehen.

Hätte Epic Games ein Kündigungsrecht?

Die dritte Hürde stellen die Kündigungen dar. Vorausgesetzt, das Verhalten des Spielers gäbe Anlass hierzu, hätte Epic Games gleich zwei außerordentliche Kündigungsrechte (auf die ordentliche Kündigung wird nicht eingegangen). Die Kündigungsrechte ergeben sich aus dem deutschen Vertragsrecht und den FNCS-Regeln. Das deutsche Vertragsrecht sieht in § 314 BGB vor, dass eine Kündigung a) nur aufgrund eines wichtigen Grundes und b) nur nach erfolgloser Abmahnung ausgesprochen werden darf. Aimbots einzusetzen stellt einen solchen wichtigen Grund dar. Dies hat Epic Games in Nr. 8.2 der FNCS-Regeln mehr als deutlich gemacht. Und bei der Abmahnung ist Vorsicht geboten: Diese kann sich bereits aus dem bloßen zeitlichen Sperren des Accounts ergeben – eine schriftliche Abmahnung ist nicht erforderlich!

Ein weiteres Kündigungsrecht kann sich aus den FNCS-Regeln ergeben. Bei den FNCS-Regeln handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, die nur gelten, wenn sie nicht gegen das BGB verstoßen. Das Kündigungsrecht der FNCS-Regeln ergibt sich aus Nr. 9.2.3, wo es heißt: „Wenn Epic entscheidet, dass ein Spieler wiederholt gegen diese Regeln verstoßen hat, kann Epic immer schärfere Disziplinarmaßnahmen aussprechen, bis hin zur dauerhaften Disqualifizierung von allen zukünftigen Wettbewerbsspielen von Fortnite.“ Es reicht also nicht aus, wenn ein Spieler einmal einen Aimbot einsetzt. Es muss zu wiederholten Regelverstößen gekommen sein, die allerdings auch unterschiedlich sein können wie Beleidigungen, Aimbots oder Absprachen mit Gegnern.

Die Ausführungen zu den Kündigungsrechten von Epic Games erscheinen klar und einfach. Dennoch können bei einer Kündigung viele Fehler unterlaufen. Der fiktive Jarvis wäre also gut beraten, eine Kündigung prüfen zu lassen und dies nicht zuletzt aus dem folgenden Grund:

Die letzte Hürde: Die Grundrechte des Gamers

Das Ergebnis dieses Beitrages, dass ein lifetime ban in Deutschland zulässig wäre, könnte jedoch nicht auf den fiktiven Jarvis zutreffen. Denn wer mit dem Spielen und Streamen von Fortnite u. a. seinen Lebensunterhalt verdient, der kommt in den Genuss des Grundrechts der Berufsfreiheit gemäß Artikel 12 Grundgesetz (GG). Hieran wäre auch Epic Games mittelbar gebunden. Dass allerdings ein deutsches Gericht aufgrund des Artikel 12 GG von einer ansonsten zulässigen Kündigung absieht, ist genauso unklar – wenn nicht noch unklarer – als die Anwendbarkeit des deutschen Rechts auf den Spielenutzungsvertrag mit Epic Games. Nichtsdestotrotz wäre dieses letzte Verteidigungsmittel gegen eine ausgesprochene Kündigung zu wählen.

Ob und wie der echte Jarvis bereits früher gegen die FNCS-Regeln verstoßen hat, sagt er in dem YouTube-Video nicht. Und ob er sich gegen die Entscheidung von Epic Games rechtlich gewehrt hat, ist ebenfalls unbekannt. Ungeachtet dessen zeichnet sich eine spannende Entwicklung innerhalb der Gamer- und eSport-Community ab, weil die Publisher gegenwärtig immer mehr Strafen aussprechen (müssen) – E-SportRecht.com bleibt für Euch dran!

Dr. Oliver Daum, Rechtsanwalt (Kiel)

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