27. September 2021

E-Sport: Forderungen an die neue Regierung

Seit gestern wissen wir, dass die SPD stärkste Partei in Deutschland ist. Gewiss ist auch, dass mit dem Ende der Bundestagswahl 2021 die Karten im E-Sport neu gemischt werden. Welche Baustellen gibt es im E-Sport und was müsste angegangen werden? Ich habe mir einmal Gedanken gemacht, welche konkreten Forderungen an die neue Regierung in Sachen E-Sport gestellt werden könnten.

Lesedauer ca. 4 Minuten (700 Wörter)

Nach den letzten Hochrechnungen zeichnet sich ab, dass die SPD stärkste Partei des neuen Bundestages sein wird. Auch wenn damit nicht feststeht, dass die SPD in der kommenden Regierung vertreten sein wird, wird es eine politische Neuausrichtung in Deutschland geben. Diese Neuausrichtung betrifft selbstverständlich auch den E-Sport. Und dort gibt es einiges zu tun.

Alte Koalition blieb untätig

Zwar hat die alte Regierung aus CDU/CSU und SPD mit einem Passus im Koalitionsvertrag für 2017-2021 Ihr Wissen zu erkennen gegeben, dass im E-Sport vielversprechendes Potenzial schlummert. Doch wurde spätestens im Februar 2021 klar, dass die alten Koalitionäre in Sachen E-Sport bedauerlicherweise keine Maßnahmen mehr ergreifen würden (Quelle). Ohnehin ist der alten Koalition zu attestieren, dass sie mit Ausnahme der Einführung des sog. E-Sport-Visums durch Untätigkeit von sich reden ließ. Das einzige Wahlversprechen, den E-Sport vollständig anzuerkennen, wurde bekanntlich nicht eingelöst. Eine Schönfärberei à la „Nicht alle Ziele beim E-Sport erreicht“ verbietet sich da (Quelle).

Gemeinnützigkeit des E-Sports muss kommen

Bis heute ist der E-Sport nicht als gemeinnützig anerkannt worden. Daher lautet die erste Forderung auch folgerichtig, den E-Sport als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung (AO) anzuerkennen. Die Anerkennung muss sich auf den gesamten E-Sport beziehen. Die Frage, welche Titel als anerkannte E-Sportarten gelten, sollte in Selbstautonomie entschieden werden. Die Anerkennung des E-Sports, entweder unter Sport oder als eigene gemeinnützige Aktivität nach der AO, muss Rechtssicherheit bringen für Sportvereine. Denn gemeinnützige Sportvereine, die E-Sport betreiben möchten, laufen gegenwärtig noch Gefahr, ihre Gemeinnützigkeit zu verlieren. Und auch reinen E-Sportvereinen muss es ermöglicht werden, auf einer rechtssicheren Grundlage als gemeinnützig anerkannt zu werden.

Nationale E-Sport-Strategie

Unabhängig von der Anerkennung als gemeinnützig, ist von der zukünftigen Bundesregierung mehr zu fordern. Die neue Regierung sollte zusammen mit den Bundesländern und Stakeholdern eine nationale E-Sport-Strategie entwickeln. Mit dieser Strategie bringt sie ihren Gestaltungswillen zum Ausdruck, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Chancen des E-Sport optimal zu nutzen (unter gleichzeitiger Prävention der zu erforschenden Gefahren). Das Ziel der E-Sport-Strategie sollte u. a. der Aufbau einer bundesweiten Struktur von Sport- und E-Sportvereinen in den Ländern sein. Der Bund könnte die Initialzündung für die Schaffung einer bundesweiten zentralisierten Kaderschmiede geben, aus der E-Sport-Nationalmannschaften entspringen könnten.

Bundesweites Förderprogramm

Dazu darf auch ein eigenes E-Sport-Förderprogramm des Bundes nicht fehlen, das Teil der E-Sport-Strategie sein sollte. Mit dem Förderprogramm, das neben denjenigen der Länder bestünde, werden besondere Projekte des E-Sports gefördert. Das können Forschungsprojekte beispielsweise zu den Gefahren des E-Sports oder dessen Nutzbarkeiten im Rahmen der Digitalisierung sein. Hierzu sollte auch ein Bundesministerium für Digitalisierung geschaffen werden, in dem auch der E-Sport beheimatet sein kann. Allerdings ist hier Vorsicht geboten! Nicht alle Akteure im E-Sport sehen sich als Teil der Digitalisierung oder als Teil des Sports. Vielmehr handelt es sich beim E-Sport meines Erachtens nach um eine eigene gesellschaftliche Aktivität unabhängig von Sport und Digitalisierung.

Anpassung der Gesetze

Eine weitere wesentliche Forderung liegt in der Anpassung einschlägiger Gesetze. Zu nennen sind beispielhaft das Arbeitszeit- und das Jugendschutzgesetz. Das Arbeitszeitgesetz berücksichtigt nicht die Besonderheiten des E-Sports (und auch nicht die des Sports). Das gilt u. a. auf Grund der starren Regelungen zur 8-Stunden-Arbeitszeit pro Tag, die eine intensive Turniervorbereitung oder auch ein Boot-Camp nicht adäquat erlauben. Der aktuellen Fassung des Jugendschutzgesetzes hingegen ist der E-Sport sogar noch gänzlich unbekannt. Das betrifft mitunter den Zugang von minderjährigen Zuschauern und Fans zu E-Sport-Veranstaltungen, bei denen Spiele ab 16 Jahren (nach USK) gespielt werden.

Fazit

Darüber hinaus gibt es noch weitere Baustellen in den Gesetzen, die in Sachen E-Sport angegangen werden müssten. Die größte Forderung, die sich stellt, ist jedoch, dass sich die neue Regierung dem E-Sport überhaupt annimmt. Denn die Erfahrung zeigt, dass die bloße Formulierung einer Klausel im Koalitionsvertrag kein Garant für Taten ist. Es muss der Wille vorhanden sein, an der Entwicklung des E-Sports gestaltend mitzuwirken. Eine weitere Legislaturperiode ohne politische Unterstützung wäre eine verpasste Chance.

Dr. Oliver Daum, Anwalt im E-Sport (Kiel)

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