17. Mai 2021

E-Sport: Die Große Koalition hört auf.

Die Große Koalition hört auf. Maßnahmen zur Förderung des E-Sports seien nicht mehr geplant, heißt es offiziell aus Berlin. Zeit also, ein Fazit zu ziehen. Mit welchen Versprechungen ist die Koalition gestartet? Konnten die Versprechen gehalten werden? Ein Kommentar.

Lesedauer ca. 5 Minuten (920 Wörter)

Für den E-Sport begann die Große Koalition mit einem Ritterschlag. Als die Bundesregierung 2018 ihr Regierungsprogramm vorstellte, hatte es der E-Sport mit einem eigenen Passus in den Koalitionsvertrag geschafft. Dass das keine Selbstverständlichkeit war, zeigt zum Beispiel aktuell der Koalitionsvertrag für Baden-Württemberg von 2021 (Link). Nicht einmal das Wort „E-Sport“ o. Ä. kommt darin vor. Die E-Sport-Branche hatte also guten Grund, erwartungsvoll nach Berlin zu schauen, was von dort zukünftig kommen würde.

Heute wissen wir, dass die Koalition im Verlauf der vergangenen (knapp) vier Jahre ein zwiegespaltenes Verhältnis zum E-Sport entwickelt hat. Zum Schluss hieß es sogar, dass keine weiteren Maßnahmen mehr geplant seien. Nach der Schaffung des E-Sport-Visums in der Beschäftigungsverordnung zum Frühjahr 2020 bedeutet dies, keine weitere Entwicklung in Sachen der Gemeinnützigkeit. Was war passiert? Was hat die Volksvertreter zum Umdenken bewegt? Dieser Beitrag gibt Antworten und zieht ein Fazit unter die vergangene Regierungsarbeit von Union und SPD.

Die Koalitionsversprechen

Als Ausgangspunkt eignen sich die Versprechen im Koalitionsvertrag von 2018 (Link) am besten. Konkret festgeschrieben hat die Koalition darin ihre Unterstützung „bei der Schaffung einer olympischen Perspektive“ sowie, das Hauptversprechen, den „E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht“ anzuerkennen. Soweit bekannt ist es nicht so gekommen.

Dabei ist der Regierung zugute zu halten, dass es dieses Jahr bei den Olympischen Spielen in Tokio in der Tat die Olympic Virtual Series (OVC) geben wird. Allerdings werden dabei nur virtuelle Sportarten gespielt und kein E-Sport! Außerdem ist nicht ersichtlich, dass die OVC auf Anstrengungen der Bundesregierung zurückgeht. Zur Frage, ob damit das Koalitionsversprechen als eingelöst gilt, ist es wie in der Mathematik: Im Ergebnis richtig, aber falscher Weg.

Bundesregierung nicht verantwortlich

Das Hauptversprechen, die Anerkennung des E-Sports, blieb man der Branche hingegen gänzlich schuldig. Belegt wird dieses Resümee durch die Bundesregierung selbst. Im Februar 2021 hieß es in einer offiziellen Erklärung, dass es in dieser „Legislaturperiode keine weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen zur Förderung des E-Sports“ (Link) geben werde. Drei Monate später wurde die Erklärung in einer schriftlichen Stellungnahme noch einmal bestätigt. So besteht für die Große Koalition bei der Gemeinnützigkeit des E-Sports aktuell keine „Notwendigkeit für Gesetzesänderungen“ (Link).

Zur Begründung, warum kein Handlungsbedarf im E-Sport bestehe, verweist die Bundesregierung auf die lokalen Finanzämter und Finanzgerichte. Schließlich seien diese einzig dafür verantwortlich, wenn es um den begehrten Zugang zu den Steuervergünstigungen der Abgabenordnung geht. Zudem ergäbe sich aus der Rechtspraxis, dass viele E-Sport-Vereine bereits unter den Zwecken der Förderung der „Jugendhilfe“ und der „Bildung“ als gemeinnützig anerkannt seien.

"nicht entscheidungsrelevant"

Die gelieferte Begründung überzeugt jedoch nicht. Die Rechtspraxis, auf die sich die Regierung stützt, ist geprägt durch vereinzelte Erste-Hilfe-Maßnahmen der Finanzämter. Von einer Rechtssicherheit stiftenden und aussagekräftigen Rechtspraxis, der meines Erachtens zwangsläufig eine gewisse Anzahl von Tatbeständen zugrunde liegen sollte, kann nicht die Rede sein. Zudem deckt ein Rückgriff auf den Förderzweck „Bildung“ kaum den kompetitiven Charakter des E-Sports ab. Und dem Förderzweck „Jugendhilfe“ liegt eine inhärente Altersgrenze von 27 Jahren zugrunde, weshalb insbesondere Senioren zunächst benachteiligt würden. Damit sollte feststehen, dass auch das zweite Koalitionsversprechen der Großen Koalition nicht eingehalten wurde.

Ohnehin halte ich es für problematisch, wenn sich die Bundesregierung bei der Wahrnehmung des Problems der Gemeinnützigkeit allein auf die Rechtspraxis verlässt. Denn seit vielen Monaten sind die Gemeinnützigkeit und staatlichen Fördermöglichkeiten ein hörbares Dauerthema in der Branche. Gemessen an den o. g. Stellungnahmen von Februar und Mai 2021, hält die Bundesregierung die öffentliche Meinung des E-Sports aber offenbar für nicht entscheidungsrelevant.

Hängepartie zum Abschied

Mit einer regelrechten Hängepartie verabschiedet sich die Große Koalition damit vom E-Sport. Dass es zu dieser Hängepartie kommen würde, hatte sich jedoch bereits angekündigt. Denn im Mai 2020 veröffentlichte die CDU-Bundestagsfraktion ihr Ehrenamtsgesetz (Link). Im Schulterschluss mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) schlug die Partei darin vor, nur elektronische Sportartensimulationen als gemeinnützig anzuerkennen. Ziemlich genau ein Jahr später spricht sich die SPD im Bundestagswahlprogramm 2021 (Link) zwar ebenfalls für eine Gemeinnützigkeit des E-Sports aus, ohne dies jedoch auf bestimmte Titel zu beschränken. Das zeigt, dass die Koalitionäre jeweils für sich durchaus Handlungsbedarf erkennen. Allerdings besteht erkennbar seit Monaten Uneinigkeit darüber, ob der gesamte E-Sport oder, mit den elektronischen Sportartensimulationen, nur ein kleiner Teil hiervon gemeinnützig werden soll.

Die alte Koalition hat dem E-Sport aber auch einen Bonbon dagelassen. Sie hat ausdrücklich erklärt, dass nicht der DOSB die Frage beantwortet, welche Sportart gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung ist. Damit wird der Weg frei für die Finanzämter, die Frage der Gemeinnützigkeit des E-Sports unter den Förderzweck „Sport“ zu fassen. Ist E-Sport am Ende doch Sport?

Fazit

Die Große Koalition hat sich dem E-Sport in den letzten vier Jahren nicht über das nötigste Maß hinaus angenommen. Die übersichtlichen Koalitionsversprechen konnten beide nicht eingehalten werden. Killerspiel-Debatten, unerforschte Auswirkungen des E-Sports sowie der unterschätzte Widerstand des DOSB hatten es den Volksvertretern zwar zunehmend schwer gemacht, sich öffentlich für den elektronischen Sport auszusprechen. Unter dem Strich bleiben der alten Koalition nach dem E-Sport-Visum nur uneingelöste Versprechen und das Versäumnis, der Entwicklung des E-Sports einen nationalen Weg zu weisen.

Aus rechtspolitischer Sicht bleibt es spannend, wer in Sachen Gemeinnützigkeit des E-Sports den nächsten Schritt machen wird. Ist es die neue Regierung in Berlin oder doch, wie von der alten Großen Koalition gesehen, sind es die lokalen Finanzbehörden und -gerichte? Bei den Fördermöglichkeiten im E-Sport jedenfalls liegt die Verantwortung zunächst bei den Ländern. Hier gibt es bereits vielversprechende Maßnahmen der Landesregierungen (Link).

Dr. Oliver Daum, Anwalt im E-Sport (Kiel)
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