Schleswig-Holstein will Deutschlands Top-Förderland des E-Sport werden. Mit der E-Sport-Academy und dem Landeszentrum für eSport und Digitalisierung (LEZ) wurden bereits zwei starke Projekte angestoßen. Dann die plötzliche Kehrtwende: SH-Ministerpräsident D. Günther stellt sich gegen den eSport. Vermeintlich! wie es jetzt aus dem Kieler Innenministerium heißt.
An der positiven Grundeinstellung gegenüber dem eSport habe sich nichts geändert, musste Kristina Herbst, Staatssekretärin im Kieler Innenministerium, auf Nachfrage klarstellen (Quelle). Anlass war der offenbar zweideutige Auftritt Daniel Günthers auf dem 2019 Verbandstag des Landessportverbandes SH (LSV SH). Dort hatte man die Worte des Ministerpräsidenten anders interpretiert – und bereits verkündet. Deutschlandfunk.de beschrieb schon die „Kieler Kehrtwende“. Eine Chronologie der Ereignisse:
2017: Koalitionsvertrag der Jamaika-Regierung
CDU, Grüne und FDP einigten sich im Juni 2017 auf ein gemeinsames Regierungskonzept. Mit aufgenommen wurde auch ein Passus zum E-Sport, der pikanterweise im Kapitel „Sport“ steht. Auf Seite 95 des Koalitionsvertrages heißt es dazu:
„Wir wollen dieses Engagement [= „den sogenannten eSport“] positiv aufnehmen, um so eine effektive Jugendarbeit, eine Anerkennung der ehrenamtlichen Arbeit und eine feste gesellschaftliche Integration des E-Sport in das Gemeinwesen zu gewährleisten.“ (Quelle)
Anders ausgedrückt, der Gesetzgeber will den eSport in SH fördern. Konkreteres ist diesem bewusst schwammig gehaltenen Statement nicht zu entnehmen. Dass es sich hierbei glücklicherweise jedoch nicht nur um eine bloße Absichtserklärung handelte, sollte das 2018 Wacken Open Air zeigen.
2018: Wacken und E-Sport-Academy
Auf dem Wacken Open Air im August 2018 verkündete Ministerpräsident Günther den Plan, eine E-Sport-Academy in Heide zu errichten (Quelle). Anders als der Name suggeriert, soll es sich bei der E-Sport-Academy nicht um eine Talentschmiede für eSport-Profispieler handeln. Primär sollen gesundheitsgefährdende Nutzungen des E-Sport erforscht und hierüber aufgeklärt werden.
Im Auftrag der Landespolitik erarbeitete die FH Westküste ein tragfähiges Konzept zur Realisierung der E-Sport-Academy (Quelle), welches den Behörden im Juni 2019 vorgelegt wurde. Ob die Planungen über das Papierformat hinausgekommen sind, ist gegenwärtig unklar. Anders das geplante LEZ, das schon konkrete Züge annimmt.
2019: Deutschlands erstes LEZ in Kiel
Im Februar 2019 verkündete das Innenministerium im Düsternbrooker Weg, das „bundesweit erste, öffentlich geförderte Landeszentrum für eSport und Digitale Kompetenz“ aufbauen zu wollen (Quelle). Das LEZ soll ein „Ort der Begegnung und des Wettbewerbs“ sein. Das bedeutet, das Zentrum soll eine Brücke schlagen zwischen E-Sport und Gesellschaft und darüber hinaus Kiels Kaderschmiede der zukünftigen eSport-Elite sein.
Gefördert wird das LEZ vom Land und der Stadt Kiel, zusammen in Höhe von 250.000 € (Quelle). Der ambitionierte Plan sah die Eröffnung des LEZ zur Digitalen Woche im September 2019 vor. Allerdings scheinen adäquate und bezahlbare Räume in Kiel Mangelware zu sein – das LEZ hat seine Türen bislang noch nicht aufgemacht (Quelle).
2019: E-Sport-Förderrichtlinie
Als weitere Maßnahme auf dem Weg zu Deutschlands E-Sport-Land Nummer 1 ist die E-Sport-Förderrichtlinie zu deuten, die im April 2019 erlassen wurde. Das Land ist bereit, bis zum 31. Dezember 2021 insgesamt 500.000 € auszuschütten (Quelle). Damit soll ein landesweites Netzwerk von eSport-Angeboten geschaffen werden.
Gefördert wird die Einrichtung von Trainingsräumen mitsamt technischer Infrastruktur, die Ausrichtung von Meisterschaften und Infoveranstaltungen. „Zuwendungsempfänger*innen“, wie es im Juristen-Deutsch heißt, sind neben Gemeinden, Sport- und eSportvereine auch „anerkannte ‚Digitale Knotenpunkte‘“. Wer genau damit gemeint ist, bleibt leider unklar. Jedenfalls wirkt der Förderbetrag von einer halben Million Euro auf den ersten Blick recht vielversprechend.
Vor dem Hintergrund dieser starken Förderprojekte stellte sich SH-Ministerpräsident D. Günther auf dem 2019 Verbandstag des LSV SH plötzlich gegen den eSport. Was war passiert?
2019: Verbandstag des LSV SH
Der Landesvater war Ehrengast auf dem Verbandstag des LSV SH im Juni 2019. Mit entsprechender Spannung dürfte seine Rede erwartet worden sein, in der er sich auch zum „heißen Eisen“ eSport äußerte. Der LSV SH vermeldete anschließend die Erfolgsnachricht, der SH-Ministerpräsident teile die ablehnende Haltung des DOSB zum Thema E-Sport (Quelle). Demnach seien nur sportartensimulierende Spiele wie Fifa oder NBA 2K förderungsfähig. Außerdem müsse eine klare Linie zwischen eSport und eGaming gezogen werden.
Durch den Auftritt beim LSV SH sei ein falscher Eindruck entstanden, räumte Staatssekretärin Christina Herbst im Anschluss auf: „Der Ministerpräsident wollte klarstellen, dass keine Mittel aus der klassischen Sportförderung in den Bereich des E-Sports gehen.“ (Quelle). Die SH-Politik stehe nach wie vor zum eSport.
Der Erklärungsversuch klingt zwar plausibel, aber wenig realistisch. Vielmehr hat es den Anschein, als habe sich der Ministerpräsident einfach verquatscht. Beim LSV SH dürfte man zu Recht zerknirscht sein über das politische Manöver. Den eSport in SH aber freut‘s – am Ende.
Rechtsanwalt, Dr. Oliver Daum, Kiel
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