Warum der Staat den E-Sport fördern muss

Der E-Sport kämpft um seinen Platz in der Gesellschaft. Nach wie vor ist er verdächtig, gesundheitsschädlich zu sein und Amokläufen Vorschub zu leisten. Die Gegenspieler um den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) sind prominent. Würde der E-Sport aber nicht staatlich gefördert, wäre dies ein falscher Umgang mit seinen Gefahren und eine Verkennung seines gesellschaftlichen Nutzens.

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Genauso wie Spielen und Gaming bedient E-Sport ein großes gesellschaftliches Bedürfnis. Denn seit mindestens 20 Jahren wird E-Sport in Deutschland professionell oder semi-professionell und im Breitensport betrieben. Schätzungen zufolge gibt es heute zwischen 1,5 – 4,5 Millionen E-Sportler bundesweit. Es dürfte daher unstrittig sein, dass E-Sport mittlerweile ein Teil der Gesellschaft geworden ist.

Die gesellschaftliche Anerkennung des E-Sports stockt hingegen. Besonders der DOSB hat sich als harter Widersacher entpuppt (Link). Er ist der Meinung, dass nur E-Sportsimulationen vom Fußball, Basketball, Golf oder Segeln, und damit nur ein kleiner Teil des E-Sports, unterstützungswürdig seien. Der Grund liege darin, dass es sich bei E-Sportsimulationen um die „Überführung von Sportarten in die virtuelle Welt“ handele. Da die Bundestagsfraktionen der Union, Linke und AfD diese Auffassung teilen (Quelle), scheint aktuell auch die politische Anerkennung des E-Sports in weite Ferne gerückt, mit teils prekären Folgen.

Gefahren des E-Sports

Bei all der Begeisterung, die der E-Sport auslöst, dürfen die damit einhergehenden Gefahren nicht außer Acht gelassen werden. Es gibt wissenschaftliche Studien, die einen Zusammenhang zwischen Gaming einerseits und andererseits Computerspielsucht, sexualisierte Gewalt und gesundheitsschädliche Mediennutzung belegen. Wer also als E-Sport-Befürworter einen informierten und ehrlichen Standpunkt vertreten möchte, sollte das Bestehen dieser Gefahren anerkennen. Auch wenn es dafür bisher wenige bis keine wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt, liegt es zugegebenermaßen nahe, dem E-Sport vergleichbare Gefahren zu attestieren.

Im Umgang mit diesen Gefahren hat der Staat – vereinfacht gesprochen – zwei Möglichkeiten: Er könnte nur E-Sportsimulationen fördern, wodurch der weit überwiegende Anteil des E-Sports außerhalb des staatlichen Radars weiterbetrieben würde. Damit hätte der E-Sport aber keine geeignete Veranlassung, seine inhärenten Gefahren zu bewältigen und wäre zudem faktisch allein auf sich gestellt. Der richtige Weg wäre es, den E-Sport insgesamt zu fördern und hieran Bedingungen zu stellen, wie es zum Beispiel in Schleswig-Holstein (SH) praktiziert wird.

Die E-Sport-Förderrichtlinie in SH (Link) sieht nämlich vor, dass die Prävention von Spielsucht, sexualisierter Gewalt, Ungleichbehandlung und schädlicher Mediennutzung Voraussetzung für die Vergabe der staatlichen Mittel ist. Dadurch begleitet der Staat den Aufbau des E-Sports in Schleswig-Holstein und hegt von außen die Gefahren für die Gesellschaft und den Einzelnen ein. Ohne staatlichen Flankenschutz könnte der E-Sport Auswüchse annehmen, die später nur schwer wieder zu korrigieren wären.

Allerdings ist die Furcht vor einer Gefahr allein regelmäßig kein guter Taktgeber. Vielmehr spricht auch der Nutzen, den der E-Sport für die Gesellschaft mit sich bringt, für eine staatliche Förderung.

Gesellschaftlicher Nutzen des E-Sports

Es war kein Geheimnis und ist nun wissenschaftlich erwiesen, dass E-Sport die digitale Kompetenz des Einzelnen begünstigt und steigert. In unsere Gesellschaft ist die Erlangung digitaler Kompetenzen einzureihen in die „lebensnotwendigen“ Grundfähigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Informationen werden zunehmend digital verbreitet und die Kommunikation verlagert sich ebenfalls mehr und mehr in den virtuellen Raum. Digitale Kompetenz steht also nicht nur für die Aneignung von Wissen, sondern auch für eine mündige Teilhabe des Einzelnen an der Gesellschaft.

Verfügt der Einzelne über digitale Kompetenzen, führt das zur digitalen Kompetenz ganzer Organisationen. Informations- und Kommunikationstechnologien determinieren Wirtschaftskraft und -wachstum. Für Unternehmen bedeutet das, sich am digitalen Markt erfolgreich zu beteiligen und Prozesse und Strukturen effizienter zu gestalten. Mit anderen Worten unterstützt der E-Sport die Gesellschaft bei der Verdauung der Digitalisierung.

Die Killerspiel-Debatte

Dabei stellt die sog. Killerspiel-Debatte für den E-Sport immer wieder ein Hindernis dar auf dem Weg zur Anerkennung. Befeuert wurde das Klischee zuletzt von Innenminister Seehofer, der einen Zusammenhang zwischen dem antisemitischen Anschlag in Halle im Oktober 2019 und der „Gamer-Szene“ herstellte (Quelle). Für einen solchen Zusammenhang gibt es jedoch keine wissenschaftlichen Belege. E-Sportler können in der Realität Maschinengewehre genauso schlecht handhaben wie andere auch und verspüren keine Lust am virtuellen Töten.

In gleicher Weise wie beim Boxen und Fechten ist der Körpertreffer beim Gegner lediglich das Mittel, um das Spiel für sich zu entscheiden. Allerdings erscheinen Ego-Shooter in Anbetracht ihrer graphischen Ausgestaltung anrüchig und stoßen bei Außenstehenden auf Unverständnis. Allerdings dürfte bei manchem Fußballfan auch das Verhältnis von Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski Fragen aufgeworfen haben: Beide waren zwar Nationalmannschaftskollegen und Freunde außerhalb des Platzes, im Spiel Köln gegen Bayern aber sicherlich auch jeweils bereit gewesen, gegenseitig einen harten Zweikampf zu führen.

Daraus folgt: Unverständnis zu einzelnen Situationen einzelner Disziplinen sollte nicht ausschlaggebend dafür sein, einer Millionen starken Community die gesellschaftliche und politische Anerkennung zu verweigern.

Fazit

Der E-Sport in Deutschland befindet im Aufbau seiner Strukturen. Durch Bedingungen, die an Förderungen gebunden werden, kann der Staat von außen positiv auf den noch formbaren E-Sport einwirken. Die staatliche E-Sport-Förderung kann dabei den Zugang zu Jugendlichen und Heranwachsenden darstellen. Damit wäre sie das effektivste Mittel, um über Online-Spielsucht, sexualisierte Gewalt, Ungleichbehandlung und schädliche Mediennutzung aufzuklären und diese abzuwenden. Der Appell, sich eigenverantwortlich den Gefahren zu stellen, würde nicht überhört werden.

Damit unsere Gesellschaft und die Wirtschaft in Zeiten der Digitalisierung nicht den Anschluss verlieren, bedarf es zur Vermittlung der benötigten digitalen Kompetenzen weicher Faktoren wie den E-Sport. Im Ergebnis, und unter Abwägung aller Umstände, muss der E-Sport staatlich gefördert werden.

Dr. Oliver Daum, Anwalt im E-Sport (Kiel)

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