Der FIFA-Youtuber Ben „NoHandGaming“ Paul war mit über 500.000 Followern das Aushängeschild von Hertha BSC eSport. Doch im Januar 2020 hat Hertha Ben Paul gefeuert als herauskam, dass er sich 2017 in einem Video antisemitisch geäußert hat. Hertha zog also – wenig überraschend – die Reißleine und beendete die Zusammenarbeit mit sofortiger Wirkung. Dabei steht die Frage im Raum: Durfte Hertha Ben Paul überhaupt feuern für ein Verhalten, das aus einer Zeit stammt, als er noch gar nicht unter Vertrag stand?
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Im November 2018 verkündete Hertha BSC die Gründung einer eigenen eSport-Akademie. Mit dabei war Ben „NoHandGaming“ Paul. Ben Paul wurde aber nicht als E-Sportler unter Vertrag genommen, sondern als Influencer. Offiziell bestand seine Aufgabe in der Schulung der eSportler „im Umgang mit digitalen Medien“, wie es noch heute auf der Webseite von Hertha eSport steht. Tatsächlich sollte Ben Paul als FIFA-YouTuber mit seinen seinerzeit 325.000 Followern und bekennender Hertha-Fan in der Szene ordentlich die Werbetrommel rühren.
Im Januar 2020 berichtete u. a. Sport1, dass Hertha BSC eSport die Zusammenarbeit mit Ben Paul mit sofortiger Wirkung beendet habe. Was war passiert? In einem TikTok-Video von 2017 soll sich Ben Paul folgendermaßen antisemitisch geäußert haben: „Schon wieder ein verf****** Furz dazwischen, ich glaube meine Mutter ist im KZ geboren.“ Weiteres ist nicht bekannt. Aus rechtlicher Sicht ist aber der Umstand interessant, dass das Video aus einer Zeit stammt, als Ben Paul bei Hertha BSC eSport noch gar nicht unter Vertrag stand. Ob die „Alte Dame“ Ben Paul trotzdem feuern durfte, zeigt dieser Beitrag.
Entscheidend für die Frage, ob Hertha BSC eSport Ben Paul feuern durfte, ist der zu Grunde liegende Vertrag. Der genaue Inhalt des Vertrages, den die Parteien geschlossen haben, ist mir leider nicht bekannt. Aus praktischen Gründen ist jedoch entweder von einem Arbeitsvertrag oder von einem Dienstvertrag (= Vertrag für freier Mitarbeiter) auszugehen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Verträgen liegt darin, dass die Beendigung eines Arbeitsvertrages weitaus schwieriger zu rechtfertigen sein kann als die Beendigung eines Vertrages für freie Mitarbeiter. Für Ben Paul wäre also ein Arbeitsvertrag, für Hertha BSC eSport ein Dienstvertrag die bessere Wahl gewesen.
Da Arbeitsverträge regelmäßig schwieriger zu beenden sind, liegt es nahe, dass Hertha BSC eSport mit Ben Paul einen Dienstvertrag geschlossen hat (wäre ich Hertha BSC, hätte ich es zumindest so gemacht). Da Ben Paul übereinstimmenden Medienberichten zufolge mit sofortiger Wirkung entlassen wurde, ist zudem wahrscheinlich eine „fristlose Kündigung aus wichtigem Grund“ (wen es interessiert: § 626 BGB) ausgesprochen worden. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist stets das Ergebnis einer umfassenden Abwägung, in die mit u. a. den Umständen des Einzelfalls und der Härte einer Kündigung viele verschiedene Erwägungen einzubeziehen sind.
Im Rahmen der Abwägung spielt es dann eine Rolle, dass das TikTok-Video mit den antisemitischen Äußerungen aus einer Zeit stammt als Ben Paul bei Hertha noch nicht unter Vertrag stand. Hatte Ben Paul wirklich befürchten müssen, seinen Job zu verlieren für Äußerungen aus dem Jahr 2017? Dann hätte Hertha vor Vertragsschluss auf diese Möglichkeit ggf. hinweisen müssen. Andererseits spielt es eine Rolle, dass Ben Paul seine Äußerungen in einem Video festgehalten hat und diese für die Öffentlichkeit dadurch wiederholt abrufbar waren. Zudem kam die Geschichte an die Öffentlichkeit zu einer Zeit, als sich die Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz-Birkenau zum 75. Mal jährte – ein denkbar unglücklicher Zeitpunkt also.
In der FIFA-Szene galt Ben Paul als das Aushängeschild von Hertha BSC eSport. Seit seinem Amtsantritt soll sich seine Followerzahl auf über 500.000 erhöht haben. Hätte Hertha BSC Ben Paul weiter beschäftigt, wäre damit auch eine Duldung der antisemitischen Äußerungen vonseiten Herthas verbunden gewesen. Dies wiederum hätte für eine schlechte Publicity in der FIFA- und E-Sport-Szene insgesamt geführt. Dass Hertha BSC eSport sich also von Ben Paul getrennt hat, erscheint durchaus nachvollziehbar und unter den in diesem Beitrag genannten Voraussetzungen auch rechtmäßig.
Dieser Fall zeigt aber, genauso wie der Fall „FaZe Jarvis“, dass die Zusammenarbeit mit Content-generierenden Influencern für professionelle E-Sport-Teams nicht ohne Risiko ist. Rufschädigendes Fehlverhalten des Influencers kann selten verhindert werden. In solchen Fällen bleibt den Team-Verantwortlichen nur eine medienwirksame Beendigung der Zusammenarbeit, um eine größtmögliche Abschreckungswirkung zu erzielen oder – wie man es ebenfalls ausdrücken könnte – um ein Exempel zu statuieren.
Dr. Oliver Daum, Rechtsanwalt (Kiel)